Im Gespräch mit... Julien Annequin, Cheftrainer Telemark

Zurück
Julien Annequin im Gespräch mit Nicolas Michel anlässlich des zweiten Leistungstests im Comb′in in Burgdorf.

In der Interviewreihe "Im Gespräch mit …" kommen die Mitglieder des Swiss Telemark Team zu Wort, die meist im Hintergrund arbeiten - die Trainer, Physiotherapeuten und weitere Schlüsselpersonen, deren unermüdliche Arbeit und Hingabe dazu beitragen, die Schweizer Telemark-Athlet:innen zu Weltklasseleistungen zu führen. Nach Simone Oehrli, Trainerin im Swiss Telemark Team, ist die Reihe am neuen Cheftrainer Julien Annequin.

Das Swiss Telemark Team hat mit Julien Annequin einen neuen Cheftrainer erhalten. Der 46-jährige Franzose war während 15 Jahren Nationaltrainer des französischen Telemark Teams; eine Aufgabe, die er bis vor zwei Jahren mit grossem Engagement und viel Herzblut erfüllt hat. So sagte er einst in einem Interview mit dem französischen Skimagazin «Ski Chrono», dass er 2000% für diesen Sport lebe. Es ist primär sein Verdienst, dass Frankreich heute eine bedeutende Telemark Nation ist und sich mit dem Swiss Telemark Team in den vergangenen Jahren spannende Duelle um die Podestplätze geliefert hat.

Julien, du bist im Dezember 2021 zurückgetreten als Nationalcoach der französischen Nationalmannschaft. Nun kehrst du als Cheftrainer des Swiss Telemark Team nach knapp zwei Jahren in den Telemark-Sport zurück. Was sind die Gründe dafür?
Julien: Zum einen habe ich realisiert, dass mir die Telemark-Familie in den vergangenen Monaten gefehlt hat. Zum anderen können das Swiss Telemark Team nach den diversen Rücktritten im Team sowie ich nach meiner «Auszeit» wohl alle eine neue Dynamik brauchen. Ausserdem: Ich bin mit Telemark aufgewachsen, und ein Telemarker sagt nie Nein zu einer Herausforderung. Aus all diesen Gründen kehre ich nun wieder zu meiner «zweiten Familie» zurück. 

Nach 15 Jahren wechselst du zu einem der grössten Konkurrenten des französischen Telemark-Teams. Wie waren die ersten Reaktionen?
Zuerst möchte ich vorausschicken, dass es zwischen Frankreich und der Schweiz bereits seit 15 Jahren eine gesunde Rivalität gibt, die stets von Fairness und gegenseitigem Respekt geprägt war. Bei den Franzosen habe ich einen schönen Rückhalt, schliesslich haben sie gesehen, dass ich jahrelang 200% für sie da war. Mich nun an der Seite einer anderen Nation zu sehen, ist natürlich nicht ganz einfach für das französische Team und seine Fans. Den ersten Reaktionen zufolge freuen sie sich jedoch für mich und für den Telemark-Sport.

Was beeindruckt dich am meisten im Telemark-Sport resp. an den Schweizer Telemark Athlet:innen?
Das Beeindruckendste und Interessanteste für mich ist die Fähigkeit der Schweizer Athlet:innen, in einer Einzelsportart auf Teamebene derart eng und gut zusammenzuarbeiten und zusammenzuhalten. Sie sind zudem sehr stolz darauf, ihr Land zu repräsentieren, das hilft ihnen, ihre Leistung zu erbringen und stets auf Topniveau zu performen.

Worauf legst du deinen Fokus in den nächsten Wochen und Monaten in der Arbeit mit den Athlet:innen des Swiss Telemark Team 
Als Erstes geht es für mich darum, die Athlet:innen kennenzulernen. Sie ihrerseits müssen sich mit meiner Arbeitsweise wohlfühlen. Voraussetzung dazu ist, dass sie meine Arbeit verstehen. Aus diesem Grund erkläre ich alle meine Schritte und technischen Anweisungen sehr detailliert und präzise. Mein Ziel ist es, zum einen die von meinem Vorgänger Ruedi Weber geleistete Arbeit zu respektieren und darauf aufzubauen, und zweitens die Stärken jedes einzelnen Athleten und jeder einzelnen Athletin zu nutzen. Ich möchte, dass sie ihren eigenen Stil beibehalten.

Was sind deine Ziele für die kommende Saison? Und mittelfristig?
Das erste Ziel ist es, jedem Athleten und jeder Athletin die Chance zu geben, sein resp. ihr maximales Potenzial auszuschöpfen. In Bezug auf das Team müssen wir an die Zukunft denken, wir müssen es also schaffen, Nachwuchs zu rekrutieren. Mein ultimatives Ziel aber ist es, den Titel «Beste Telemark-Nation» erfolgreich zu verteidigen!

Wir haben bislang vor allem über das Team und seine Athlet:innen gesprochen und weniger über den Schweizer Telemark-Sport. Wie nimmst du die Entwicklung in der Schweiz wahr?
Telemark muss auf nationaler Ebene Strukturen entwickeln, um für junge Menschen als Sportart attraktiver zu werden. Das ist eine Aufgabe, die mir sehr am Herzen liegt und die für die Zukunft des Telemarks zwingend notwendig ist. In Frankreich wird viel Energie für die Entwicklung der Vereine aufgebracht, was vor allem Neil Dixon (Gründer der Telemark-Abteilung im Skiclub Crozet), Antoine Bouvier (französischer Nationaltrainer) und Sebastien Mansart (aktuell Coach des britischen Telemark Teams) zu verdanken ist. In der Schweiz herrscht gegenwärtig rund um den Telemark-Sport dank der Erfolge in den vergangenen Jahren eine schöne Energie. Ich hoffe, dass ich mit meiner Arbeit dazu beitragen kann, dass wir diesen Spirit beibehalten können. Wir bleiben jedenfalls dran.

Verrat uns drei Dinge, die dir wichtig sind im Leben… Ich lege Wert auf Ehrlichkeit und Direktheit, ich bin jemand, der Dinge direkt anspricht, «straight to the point» also. Dasselbe erwarte ich auch von meinen Mitmenschen und damit auch von den Athlet:innen resp. Arbeitskolleg:innen. Zudem finde ich es wichtig, dass man Freude an dem hat, was man macht, auch soll der Spass nicht zu kurz kommen. Zu guter Letzt bin ich fordernd, aber nicht nur gegenüber den Athlet:innen, sondern insbesondere auch mir gegenüber.

Wie und wo schaltest du von der Arbeit ab, hast du spezielle Hobbies? 
Ich bin jemand, der gerne möglichst viele Sportarten ausprobiert, wobei mich dabei vor allem der technische Aspekt hinter jeder Sportart interessiert. Ich zerlege dann die Sportart in ihre Einzelteile, studiere diese und nutze sie für mein Coaching. Als Letztes habe ich Wingfoilen ausprobiert. Überhaupt nehme ich das, was ich mache, sehr ernst und gehe Dingen, mit denen ich mich beschäftige, sehr gerne auf den Grund. Deshalb habe ich während meiner Zeit beim Französischen Skiverband eine Ausbildung als Physical Coach sowie als Mental Coach gemacht.   

Links

Übersicht Telemark Weltcup 2023/24

15. bis 17. Dezember 2023: Pinzolo (ITA)
9. bis 11. Januar 2024: Les Houches (FRA)
17. bis 18. Januar 2024: Carezza Dolomites (ITA)
26. bis 28. Januar 2024: Melchsee-Frutt (SUI)
31. Januar bis 2. Februar: 2024: Saint Gervais les Bains (FRA)
15. bis 18. Februar 2024: Al (NOR)
6. bis 10. März 2024: Stari Vrh (SLO) / inkl. Junioren-Weltmeisterschaften
14. bis 15. März 2024: Livigno (ITA)
18. bis 21. März 2024: Bardonecchia (ITA)

Ähnliche News

  • 11.9.2023 | 09:40
    Im Gespräch mit ... Simone Oehrli, Trainerin Telemark
  • 18.9.2023 | 10:34
    Neuer Headcoach für das Swiss Telemark Team