Mikro-Aggressionen oder Kuss-Smileys auf WhatsApp: Was dürfen Trainerinnen und Trainer?

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Viele Aussagen, die vor zehn Jahren noch ohne Hintergedanken über die Lippen gingen und vom Grossteil der Bevölkerung als unbedenklich galten, sind heute ein No-Go. Und doch sind sie nicht komplett aus dem alltäglichen Sprachgebrauch verschwunden. An einem Ethik-Workshop haben sich Trainerinnen und Trainer sowie Betreuende aller Swiss-Ski Sportarten mit «Dos and Don’ts» im Sportalltag befasst.

Ein junger Athlet kommt zur Physiotherapeutin; er tut dies «oben ohne», weil ihm vom vorherigen Training noch heiss ist. Zudem möchte er der Physio mit seinen Muskeln imponieren. Oder: Nach einem Sturz im Halfpipe-Training liegt eine Athletin am Boden und hält sich das Bein. Der Trainer ruft ihr zu: «Tu nicht so und steh auf, Stürze gehören zu unserem Sport dazu!» 

Über diese und ähnliche Fallbeispiele diskutierten am vergangenen Mittwoch Trainerinnen und Trainer sowie Physios, Serviceleute und weitere Betreuende aus den Nordisch- und Freestyle-Sportarten und am Freitag diejenigen aus dem Ski Alpin. Und dabei wurde klar: Am meisten Diskussionen entstehen nicht bei den Fällen, die klar eine Grenze überschreiten, sondern bei denjenigen, die sich in einer grauen oder orangen Zone befinden. Ist es beispielsweise ok, als Langlauf-Trainer eine Athletin im Test-Wettkampf mit den Worten «du darfst nicht aufgeben» zu motivieren, auch wenn sie mit Atemproblemen kämpft und weint? Darf die Trainerin den Athleten umarmen, wenn er einen Wettkampf gewinnt? Wie steht es mit Kuss-Smileys auf WhatsApp? Und was, wenn es gar zu einer Beziehung zwischen Athlet:in und Trainer:in kommt? 

«Damit Athletinnen und Athleten am Tag X ihre beste Leistung abrufen können, müssen sie sich wohlfühlen», so Guri Knotten, Nordisch-Direktorin bei Swiss-Ski. Die Aufgabe der Coaches und Betreuenden müsse es sein, ihnen das perfekte Umfeld dazu zu bieten – und dabei gehöre es dazu, sich mit dem Thema Ethik auseinanderzusetzen. Und Sacha Giger, Direktor Ski Freestyle, Snowboard und Telemark ergänzt: «Eine klare Kommunikation ist das A und O.» Zwischen Athletinnen und Athleten sowie Trainerinnen und Trainer müsse ein Vertrauensverhältnis bestehen und kommuniziert werden, was ok ist und was nicht. Das Ziel des Ethik-Workshops war es, dem Betreuerstab aller Swiss-Ski Sportarten Orientierungshilfen und Tools für ihre Arbeit mit Athletinnen und Athleten zu geben, um sie für ihren Sportalltag zu stärken und ihnen Sicherheit im Umgang mit herausfordernden Situationen zu geben.

Datenschutz: Wem darf ich was weitergeben?

Ein Teil des Ethik-Workshops war dem neuen Schweizer Datenschutzgesetz gewidmet. Trainerinnen und Trainer sind im Besitz sehr vieler Daten über ihre Athletinnen und Athleten, beispielsweise von Leistungstest oder Trainings. Diese sind zum Teil sehr sensibel, etwa wenn es um den Körper oder die Gesundheit geht. Wie geht man damit um und wem darf man was weitergeben? Diesen Fragen wurde im Input von Rechtsanwalt Sven Hintermann nachgegangen. «Euch wäre es auch unangenehm, wenn ich euren persönlichen Rucksack hier auf der Bühne leeren und die darin enthaltenen Gegenstände allen Personen im Raum zeigen würde», so ein Gedankenexperiment von Hintermann. Genau darum brauche es das Datenschutzgesetz.

Swiss-Ski hat das Thema Ethik weit oben auf der Agenda und wird in Zukunft weitere Workshops dazu auf den verschiedenen Förderstufen  organisieren (z. B. NLZ-Foren, Ethik-Tag für die Clubs). Weiter werden für Trainerinnen und Trainer sowie die weiteren Betreuungspersonen von Swiss-Ski basierend auf den Erkenntnissen aus den Workshops konkrete Empfehlungen für bestimmte herausfordernde Situationen entwickelt und ihnen in Form von Guidelines zur Verfügung gestellt.